Beschlussvorschlag:
Die
in der Anlage aufgeführte Elternbeitragssatzung für die Inanspruchnahme
kommunaler Kinderbetreuungsleistungen in Kindertagesstätten der Stadt
Fürstenwalde/Spree wird beschlossen und rückwirkend zum 01. September 2014 bzw.
01. Mai 2015 in Kraft gesetzt.
Sachverhalt:
Die
Stadtverordnetenversammlung der Stadt Fürstenwalde beschloss zunächst in ihrer
Sitzung am 15.05.2014 die Gebührensatzung für die Inanspruchnahme kommunaler
Kinderbetreuungsleistungen in Kindertagesstätten der Stadt Fürstenwalde/Spree.
In
der Präambel der Satzung heißt es unter anderem sinngemäß, dass auf der
Grundlage der §§ 1, 2, 4 und 6 des Kommunalabgabengesetzes des Landes
Brandenburg (KAG) die Gebührensatzung beschlossen wurde. Die Beschlussvorlage
enthielt eine Anlage –Berechnung der Höchstbeträge für die Satzung 2014-.
Der
Anlage ist zu entnehmen, welche Kosten für die Gebührenberechnung herangezogen
worden sind. Hier ist eine Spalte mit der Überschrift: Kalkulatorische Kosten
vermerkt.
In
der Stadtverordnetenversammlung am 23.04.2015 ist eine 1. Änderungssatzung zur
o.g. Gebührensatzung erlassen worden.
Auch
in der Präambel der 1. Änderungssatzung ist vorangestellt, dass unter anderem
auf der Grundlage der §§ 1, 2, 4 und 6 des Kommunalabgabengesetzes des Landes
Brandenburg (KAG) die 1. Änderung der Gebührensatzung beschlossen wurde. Der
Tabelle zur Berechnung der Gebühren für die Satzung 2015 ist zu entnehmen, dass
kalkulatorische Kosten in Höhe von rund 196.000 € berücksichtigt worden sind.
Diese bestehen ausweislich der enthaltenen Legende aus Abschreibungen und
kalkulatorischen Zinsen (2%). Diese sind nach den Grundsätzen des KAG (§ 6 KAG)
berechnet und zugrunde gelegt worden.
Das
Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 06.10.2017 im
Normenkontrollverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Kita-Gebührensatzung der
Stadt Rathenow vom 10.12.2014 entschieden.
Diese
Satzung enthält in ihrer Präambel keine Bezugnahme auf das KAG. Der
Entscheidung des Gerichtes ist aber zu entnehmen, dass in der Beschlussvorlage
für die Benutzungsgebührensatzung ausdrücklich auf § 6 KAG für die Kalkulation
der KITA Gebühren hingewiesen wurde. Die Anwendung des § 6 KAG wurde auch im
gerichtlichen Verfahren durch eine Stellungnahme der beklagten Stadt bestätigt.
Sie hat kalkulatorische Zinsen in Höhe von rund 140.000 € berücksichtigt.
Das
OVG entschied zu diesem Sachverhalt wie folgt (nachfolgend auszugweise
dargestellt):
„Nach § 17 Abs. 1 Satz 1
KitaG haben die Personensorgeberechtigten Beiträge zu den Betriebskosten der
Einrichtungen zu entrichten. Gemeinden oder Gemeindeverbände als Träger der Einrichtungen
können die Elternbeiträge und das Essengeld durch Satzung festlegen und als
Gebühren erheben (§ 17 Abs. 3 Satz 1 und 3 KitaG). ….
Aus dem Umstand, dass die
Beiträge gemäß § 17 Abs. 1 KitaG „zu den Betriebskosten“ zu entrichten sind,
ist zu folgern, dass der Bemessung der Gebühren nur solche Parameter zugrunde
gelegt werden dürfen, die nach den einschlägigen Bestimmungen als
Betriebskosten berücksichtigungsfähig sind. Einschlägig sind insoweit die
Bestimmungen des Kita-Gesetzes sowie der hierzu ergangenen
Durchführungsverordnungen. Einschlägig ist demgegenüber nicht das
Brandenburgische Kommunalabgabengesetz - KAG -.
…..
§ 6 KAG ist auf die
Elternbeiträge im Sinne des § 17 KitaG nicht anwendbar.
….
Das KAG findet demnach
nur Anwendung, soweit nicht in einschlägigen Spezialgesetzen eigenständige
Regelungen enthalten sind. Das ist hier der Fall. Das KitaG regelt die
Elternbeiträge sowie die Kriterien, nach denen diese zu berechnen sind.
b) Nach § 17 Abs. 1 KitaG
werden Beiträge zu den Betriebskosten der Einrichtungen geleistet. Welches die
Betriebskosten sind, wird in § 15 KitaG legaldefiniert und in der Verordnung
über die Bestimmung der Bestandteile von Betriebskosten, das Verfahren der
Bezuschussung sowie die jährliche Meldung der belegten finanzierten Plätze der
Kindertagesbetreuung - KitaBKNV - sowie der Verordnung über die Anzahl und
Qualifikation des notwendigen pädagogischen Personals in Kindertagesstätten -
KitaPersV - geregelt. Dieses Regelungsgefüge stellt grundsätzlich ein in sich
geschlossenes System dar, das zu seiner Umsetzung keines Rückgriffs auf die
Bestimmungen des § 6 KAG bedarf und das dessen Regelungen vorgeht. Was die für
die Bemessung der Elternbeiträge berücksichtigungsfähigen Kosten anbelangt,
sind die zitierten Regelungen abschließend, so dass sich eine ergänzende
Heranziehung des § 6 KAG auch insoweit verbietet.
Dementsprechend ist es
verfehlt, dass die Antragsgegnerin bei der Ermittlung der Sachkosten im Sinne
des § 15 Abs. 1 KitaG kalkulatorische Zinsen berücksichtigt hat. Hierbei
handelt es sich nach den Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen
Verhandlung um die Verzinsung für das gebundene Kapital. Diese Art der
Verzinsung ist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG zulässig, weil danach zu den
ansatzfähigen Kosten eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals
zählt. Sie ist demgegenüber nach § 2 Abs. 1 KitaBKNV bei den Sachkosten nicht
zu berücksichtigen.
a) Bereits dieser Mangel
führt zur Unwirksamkeit der Satzung insgesamt. Denn die Berücksichtigung stellt
die Gebührenkalkulation insgesamt in Frage.
b) Dass die
Antragsgegnerin bei ihrer Kostenkalkulation auf die Geltendmachung
kalkulatorischer Miete für die zur Verfügung gestellten Einrichtungen
verzichtet hat, obgleich sie diese gemäß § 2 Abs. 1 Buchstabe b) KitaBKNV hätte
einstellen können, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat,
rechtfertigt - ungeachtet der Frage, welchen Umfang die kalkulatorische Miete
gehabt hätte - kein anderes Ergebnis. Streitgegenstand ist nicht die Frage, ob
die Antragsgegnerin Gebührensätze in der festgelegten Höhe bei zutreffender
Bemessungsgrundlage hätte verlangen können. Gegenstand der gerichtlichen
Überprüfung sind allein die den streitigen Gebühren tatsächlich zugrunde
gelegten Parameter. ….“
Der
Sachverhalt zur Gebührensatzung der Stadt Rathenow ist in wesentlichen Punkten
dem Sachverhalt zur Gebührensatzung der Stadt Fürstenwalde gleich. Bei beiden
Satzungen sind in die Beitragsberechnung kalkulatorische Zinsen im Sinne des §
6 KAG von nicht unerheblicher Höhe eingeflossen, die sich auf die Höhe der
Beiträge auswirken. Da nach der Entscheidung des OVG § 6 KAG nicht anwendbar
ist, sind die kalkulatorischen Zinsen rechtswidrig berücksichtigt und führen
damit unmittelbar zu einer Rechtswidrigkeit der Beitragsfestlegung. Nicht
maßgeblich ist es nach der Rechtsauffassung des Gerichtes, dass die Beiträge in
dieser Höhe aufgrund der Berücksichtigung vernachlässigter Kosten rechtmäßig
ermittelbar/belegbar gewesen wären.
Die
Satzung der Stadt Fürstenwalde ist unter Beachtung der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichtes rechtswidrig.
Die
Rechtswidrigkeit der Satzung führt nicht automatisch zu ihrer Unwirksamkeit.
Solange eine Satzung durch ein Gericht oder den Satzungsgeber nicht aufgehoben
ist, ist sie anzuwenden und vom Bürger oder der vollziehenden Behörde zu
beachten.
Der
Kita-Beitragsbescheid ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt.
Er
muss nach der Regelung des § 44 Abs. 2 SGB X bereits bei Erlass rechtwidrig
gewesen sein.
Das
Merkmal der Rechtswidrigkeit ist nicht gegeben, soweit die Stadt
Fürstenwalde/Spree eine rechtmäßige Kita-Beitragssatzung rückwirkend erlässt
und nach dieser Kita-Beiträge in Höhe des festgesetzten Bescheides erhoben
werden dürfen. Wenn die nach einer mit Rückwirkung versehenen neuen
Kita-Beitragssatzung zu erhebenden Kita-Beiträge niedriger ausfallen als die
tatsächlich für die Vorjahre geforderten, kommt eine Teilrücknahme in Betracht
(Für die Vergangenheit hat eine Ermessensentscheidung zu erfolgen, gerichtlich überprüft
werden kann die Entscheidung nur mit Blick auf einen Ermessensfehlgebrauch).
Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes sind belastende Gesetze, die abgeschlossene
Tatbestände rückwirkend erfassen, regelmäßig unvereinbar mit dem Gebot der
Rechtsstaatlichkeit, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit
gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet
(BVerfG Beschluss vom 23.03.1971) . Es sind allerdings Ausnahmen von diesem
Grundsatz anerkannt. Demnach kann sich der Bürger nicht auf Vertrauen berufen,
wenn mit einer solchen Regelung zu rechnen war, wenn die Rechtslage unklar oder
verworren war, wenn durch die Rückwirkung keine oder nur ganz geringe Schäden
entstehen, oder wenn zwingende Gründe des Allgemeinwohls es erfordern (BVerfG
aaO.).
Vorliegend ist der erste Fall anzunehmen.
Laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.12.1961 ist das Vertrauen
in den Bestand des Rechts dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der
rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge
vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste. Dies ist
hier der Fall. Vorliegend wird nicht wirklich „erstmalig“ rückwirkend eine
Kita-Gebühr verlangt, sondern es ist bereits eine, wenn auch rechtlich
bedenkliche, Satzung in Kraft. Ein
schutzwürdiges Vertrauen von der Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen
verschont zu bleiben konnte sich daher nicht bilden. Ein Vertrauen darauf, dass
eine Kita-Beitragssatzung den gesetzlichen Vorschriften widerspricht und daher
ungültig ist, ist nicht schützenswert (vgl. BVerwG Urteil vom 28.11.1975).
Daher ist eine rückwirkende Beitragssatzung dann zulässig, wenn sie gerade dazu
dienen soll, eine ungültige Beitragssatzung durch eine neue zu ersetzen.
Es
wird hier vorgeschlagen, von der Möglichkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung
Gebrauch zu machen. Auf Grund der geltenden Verjährungsregelungen für die
Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen, sind in die entsprechende Korrektur
sowohl die Satzung aus dem Jahr 2014 als auch die Änderungssatzung aus 2015
einzubeziehen.
Neben
der Streichung des KAG als Satzungsgrundlage und des Austauschs der
Formulierung „Gebühren“ durch „Elternbeiträge“ war für die Satzungen eine
Neuberechnung der möglichen Höchstbeiträge vorzunehmen und mit den tatsächlich
erhobenen Elternbeiträgen zu vergleichen.
Der
Drucksache sind die Berechnungstabellen der Höchstbeiträge für 2014 und 2015
als Anlage beigefügt. Bei näherer Betrachtung werden teilweise deutlich
Unterschiede in der Höhe der in die Berechnung einfließenden Kostenwerte
sichtbar, die sich auch nicht restlos auflösen lassen. Ziel war daher die
exakte Darstellung der jeweiligen Kosten nach den z. T. politisch neu
definierten Vorgaben und dem aktuellen Kenntnisstand. Berücksichtigt wurden
hier die Kosten, wie sie nach dem Betriebskostenschema, das ebenfalls als
Anlage beigefügt ist, erfasst werden und Ergebnis der jeweiligen
Jahresabschlüsse sind. Das Schema ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe im Auftrag
des zuständigen Landesministeriums. Kosten im Betriebskostenbereich (BKB) IV
(Verpflegung) bleiben unberücksichtigt, soweit sie bereits Gegenstand der Satzung über
die Versorgung mit Mittagessen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in
Trägerschaft der Stadt Fürstenwalde/Spree sind.
Im
Ergebnis konnte festgestellt werden, dass die Elternbeiträge die theoretisch
möglichen Höchstbeiträge, d. h. die tatsächlichen Kosten je Betreuungsplatz in
den meisten Fällen nicht übersteigen. Somit ist überwiegende Zahl der
ergangenen Bescheide der Höhe nach nicht zu beanstanden. Korrekturen und ggf.
daraus abzuleitende Ansprüche sind ausschließlich in den oberen Einkommensgruppen
zu verzeichnen. Die Zahl der Betroffenen ist in der Tabelle zur Berechnung der
Platzkosten ersichtlich.
Die
Beitragssatzung ist der Kommunalaufsicht zur Prüfung vorzulegen und über die
Elternbeitragshöhe und deren soziale Staffelung mit dem Jugendamt Einvernehmen
herzustellen (siehe Anlage). Die vom Jugendamt hierfür erlassenen Grundsätze
vom 03. April 2006 haben immer noch Gültigkeit, insbesondere die Festsetzung
der Mindestgebühren. Insofern war hier keine Änderung vorzunehmen. Im Übrigen
bleibt es den Zahlungspflichtigen vorbehalten, jederzeit einen
Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ohne erforderlichen
Klageweg zu stellen.
Matthias Rudolph
Bürgermeister
Anlagen:
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Neufassung
der Elternbeitragssatzung der Stadt Fürstenwalde/Spree für die Inanspruchnahme
von kommunalen Kinderbetreuungsleistungen in Kindertagesstätten
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Anlagen
1 – 6: Beitragstabellen für die jeweiligen Betreuungsformen und
Geltungszeiträume
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Berechnung
der Platzkosten 2014
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Herleitung
zur Berechnung 2014
-
Berechnung
der Platzkosten 2015
-
Herleitung
zur Berechnung 2015
-
Berechnung
möglicher Rückforderungsansprüche 2014 - 2018
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Übersicht
über die Kostenarten und Betriebskostenbereiche
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Antrag
an das JA zur Herstellung des Einvernehmens für 2014
-
Antrag
an das JA zur Herstellung des Einvernehmens ab 2015
-
Kitas
IST-Personalkosten 2014-2017
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jährl.
Afa und Sonderposten 2014
-
jährl.
Afa und Sonderposten 2015