Beschlussvorschlag:
a) Abschluss von zwei hochspekulativen Geschäften in den Jahren 2007-2010, Prüfungsfeststellung des Sachverhalts im Haushaltsjahr 2016 mit geschlossenem Vergleich mit der EAA,
b) Missachtung der Schadensminimierungspflicht bei der Überzahlung von Beschäftigten in zwei Fällen,
c) Verletzung der Genehmigungspflicht durch die Kommunalaufsicht bei unentgeltlicher Veräußerung von Vermögen, Anteile bei der Gesundheitszentrum Verwaltungsgesellschaft.
Sachverhalt:
Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Fürstenwalde/Spree hat in ihrer Sitzung am 31.01.2019 mit Beschlussvorlage Nr. 6/DS/818 den Beschluss zum Jahresabschluss 2016 (SVV am 14.12.2017, Beschlussvorlage Nr. 6/DS/613) aufgehoben und den Bürgermeister beauftragt, den Jahresabschluss 2016 hinsichtlich der Buchungen zu den CHF-Plus-Swaps von ordentlichen Erträgen und Aufwendungen in außerordentliche Erträge und Aufwendungen zu ändern und einen korrigierten Jahresabschluss zum 31.12.2016 vorzulegen.
In dem nun zur Beschlussfassung vorliegendem geänderten Jahresabschluss zum 31.12.2016 (Anlage 4) wurden die zuvor beschriebenen Buchungsvorgänge umgesetzt.
Der Jahresabschluss 2016 wurde von der kommissarischen Kämmerin gemäß § 82 Abs. 3 S. 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg am 09.08.2019 aufgestellt. Die Prüfung des Jahresabschlusses erfolgte durch die örtliche Rechnungsprüfung begleitend. Es wurden sowohl die Ergebnis- und Finanzrechnung als auch die Bilanz geprüft.
Die kommissarische Kämmerin hat den Jahresabschluss 2016 dem Bürgermeister zur Feststellung vorgelegt.
Der Jahresabschluss weist in der Ergebnisrechnung (Anlage 1) ein Jahresergebnis in Höhe
von
-790.190,67 Euro aus.
Die Finanzrechnung 2016 (Anlage
2) schließt mit einem Finanzmittelfehlbetrag in Höhe von
-12.875.786,60 Euro ab. Die Veränderung des Bestandes an eigenen
Zahlungsmitteln beträgt
-1.004.427,81 Euro.
Bei nun korrekter Darstellung der geschlossenen Verträge zu den CHF-Plus-Swap ergeben sich in der Bilanz zum 31.12.2016 (Anlage 3) in der Position Eigenkapital auf der Passivseite folgende Positionen:
Rücklage aus dem ordentlichen Ergebnis 10.777.681,93 EUR
Fehlbetrag aus dem außerordentlichen Ergebnis -8.704.432,98 EUR.
Die Bilanzsumme zum 31.12.2016 beträgt 246.702.571,91 Euro.
Im
zusammengefassten Prüfergebnis schlägt die Rechnungsprüferin der
Stadtverordnetenversammlung vor, den geprüften Jahresabschluss zum 31. Dezember
2016 zu beschließen und dem im Prüfungszeitraum amtierenden Bürgermeister
eingeschränkte Entlastung zu erteilen.
Unter
Bezugnahme auf die in Punkt 7.5 festgestellten Prüfungsergebnisse wird die
Einschränkung in folgenden Punkten empfohlen:
1.
Prüfungsfeststellungen
zu den Swap-Geschäfte
In den
Jahren 2007 bis 2011 hat die Stadt acht langjährige (Laufzeit 11 bis 20 Jahre)
Derivatverträge mit der WestLB als Mittel der Zinsoptimierung abgeschlossen.
Da sich
zwischenzeitlich das allgemeine Zinsniveau entgegen der Erwartung änderte und
der Wechselkurs (EUR-CHF) sich negativ entwickelte, konnte das Ziel der
Einsparung von Zinsen nicht erreicht werden, sondern es mussten noch höhere
Zinsen aufgebracht werden.
Die
Stadtverordnetenversammlung ermächtigte mit DS 5/024 vom 11. Dezember 2008 den
damaligen Bürgermeister zum Abschluss von Zinsderivaten unter Beachtung des
Runderlasses des Ministeriums des Innern Nr. 2/2000. Danach waren nur
Zinsderivate in Verbindung mit einem Grundgeschäft rechtlich zulässig. Die in
den Jahren 2007 -2010 abgeschlossenen CHF-Swap-Geschäfte entsprechen den
Vorgaben des Runderlasses nicht, da ihnen sowohl ein Grundgeschäft fehlt (keine
Konnexität zwischen einem Grundgeschäft und einem Zinsgeschäft) als auch eine
Wechselkursspekulation beinhaltete. Sie sind mithin nicht vom Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung gedeckt. Ein solcher Beschluss hätte zudem durch
den damaligen Hauptverwaltungsbeamten beanstandet werden müssen. Aufgrund
dieser Geschäfte ist der Stadt Fürstenwalde/Spree schließlich ein Schaden von
mehreren Millionen Euro entstanden.
Durch den
geschlossenen Vergleich mit der EAA im HHJ 2016 erlangte die Rechnungsprüfung
Kenntnis von den 2 hochspekulativen unzulässigen Verträgen.
Der
finanzielle Schaden, der durch die CHF-Swap-Geschäfte entstanden ist,
verwirklichte sich im Haushaltsjahr 2016.
Aufgrund der Höhe und der Verletzung der Grundsätze
nach § 63 Abs. 2 BbgKVerf sparsam und wirtschaftlich zu handeln, empfiehlt die
Rechnungsprüfung der Stadtverordnetenversammlung die Beschlüsse über die Entlastung
des Hauptverwaltungsbeamten für die Jahre 2007 bis 2010 aufzuheben und neu zu
entscheiden (siehe 7/DS/033).
Eine Einschränkung oder eine Verweigerung der
Entlastung ist immer dann angezeigt, wenn schwerwiegende Verstöße vorliegen,
die Schadensersatzansprüche notwendig machen oder zu dienstrechtlichen
Konsequenzen führen.
Die Rechnungsprüfung empfiehlt in diesem Fall
dienstrechtliche Konsequenzen gegen den Hauptverwaltungsbeamten einzuleiten und
bezüglich des Sachverhalts nur eine eingeschränkte Entlastung zu beschließen.
2. Prüfungsfeststellungen
zu den nicht gerechtfertigten Entgeltzahlungen-
„In einem
Zeitraum von 51 Monaten wurde bei 3 Beschäftigten zu viel Lohn ausgezahlt.
Begründet wurde der Vorfall mit dem Wechsel der Lohnsoftware und eine dadurch
falsch angesteuerte Tarifstufe. Die 3 Beschäftigten hätten nach Entgeltgruppe
9, Endstufe 5 nach TVöD bezahlt werden müssen und wurden nach Entgeltgruppe 9,
Endstufe 6 TVöD für o.g. Zeitraum überzahlt. Der entstandene finanzielle
Schaden beträgt einschließlich AG-Anteil, Sonderzahlungen und LOB-Zahlungen
47.257,96 €.
Der
angezeigte Schaden bei der OKV wurde mit Schreiben vom 27.02.2017 beantwortet.
Der Bitte hierzu, 9 Fragen zu beantworten, wurde seitens der Verwaltung nicht
nachgekommen.
Mit der neuen
Verwaltungsführung wurde im April 2019 der Fall wieder aufgegriffen.
Auf eine
Rückforderung gem. § 37 TVöD des nicht gerechtfertigten Entgelts wurde seitens
der Stadt Fürstenwalde/Spree mit Schreiben vom 03. Februar 2017 an die 3
Beschäftigten verzichtet.
Vor dem
Hintergrund einer Schadensminimierungspflicht ist der Vorgang nicht
nachvollziehbar.
Die
Rückforderung hätte 6 Monate nach Fälligkeit geltend gemacht werden können. Der
Anspruch der Rückforderung wäre für die 3 Beschäftigten 4.924,68 € Bruttoarbeitslohn
(1.641,56 €/pro Beschäftigten), eine Summe, die hätte durchaus zurückgezahlt
werden können und auch müssen.
Es wurden
zwei Möglichkeiten der Schadensminderung ignoriert.
Die Grundsätze nach § 63 Abs. 2 BbgKVerf sparsam und
wirtschaftlich zu handeln sind insoweit missachtet worden.
Die Rechnungsprüfung empfiehlt in diesem Fall
dienstrechtliche Konsequenzen gegen den Hauptverwaltungsbeamten einzuleiten und
bezüglich des Sachverhalts eine eingeschränkte Entlastung zu beschließen.
Gemäß § 82
Abs. 4 Satz 1 BbgKVerf beschließt die Gemeindevertretung über den geprüften
Jahresabschluss bis spätestens zum 31. Dezember des auf das Haushaltsjahr
folgenden Jahres; zugleich entscheidet sie in einem gesonderten Beschluss über
die Entlastung des Hauptverwaltungsbeamten.
Die in § 82
Abs. 4 Satz 1, 2. HS BbgKVerf normierte Versagung oder Einschränkung der
Entlastung eröffnet der Gemeindevertretung die Möglichkeit, auch bei
Anerkennung des im formalen Jahresabschluss zusammengefassten Rechenwerkes die
Haushaltsführung durch die Verwaltung in dem von ihr notwendig erachteten
Umfange zu missbilligen. Mit der Entlastung wird der Hauptverwaltungsbeamte
(und mit ihm die mit der Haushaltswirtschaft befassten Bediensteten) von
haftungs-, straf- und disziplinarrechtlichen Folgen freigestellt. Das gilt
allerdings nicht, wenn Verstöße nachträglich (z.B. durch die überörtliche
Prüfung) bekannt werden. In einem solchen Fall kann die Gemeindevertretung
ihren Entlastungsbeschluss ändern oder aufheben und ggf. Ersatzansprüche
geltend machen.
Eine
unbedingte Pflicht der Gemeindevertretung, bei erheblichen Verstößen die
Entlastung nur eingeschränkt zu erteilen oder zu verweigern, besteht nicht. Sie
muss im pflichtgemäßen Ermessen im Einzelfall prüfen, ob die Voraussetzungen
für eine Einschränkung oder Verweigerung der Entlastung vorliegen oder nicht.
Der
Hauptverwaltungsbeamte hat nach § 82 Abs. 4 Satz 2 BbgKVerf einen Anspruch
darauf, dass die Gemeindevertretung bei Einschränkung oder Verweigerung der
Entlastung entsprechende Gründe angibt. Die Gemeindevertretung muss daher die
Verstöße, welche zu der Entscheidung geführt haben, nennen und den Grund der
Entscheidung darlegen.
Matthias Rudolph
Bürgermeister
Anlagen:
A 1 Ergebnisrechnung zum 31.12.2016
A 2 Finanzrechnung zum 31.12.2016
A 3 Bilanz zum 31.12.2016
A 4 Geänderter Jahresabschluss zum 31.12.2016