Die folgende Präsentation bezieht sich auf beide Tagesordnungspunkte und trennt thematisch nicht.

Herr Dr. Rausch vom Kinder- und Jugendärztlichen Dienst des Landkreises Oder-Spree leitet seinen Bericht mit einem Beispiel aus der Praxis ein. Er erläutert den Ablauf einer Arbeitstauglichkeitsuntersuchung bei einem 16-jährigen Mädchen. Sie hat 9 Schulklassen besucht und möchte ihren Hauptschulabschluss beim FAW absolvieren. Ihr Wunsch ist es den Beruf der Floristin zu erlernen. Bei den verschiedenen Untersuchungen (medizinische Belange spielen keine Rolle) wurde festgestellt, dass das Mädchen weder Lesen noch Rechnen konnte und über keinerlei Allgemeinwissen verfügte.

Herr Dr. Rausch betont, dass dies kein Einzelfall darstellt und diese sich gerade in Fürstenwalde häufen. Er weist nochmals darauf hin, dass diese Jugendlichen keine geistig behinderten Menschen sind und daher nach Ursachen zu suchen ist, warum sie nicht über die gewissen Grundkenntnisse verfügen.

Herr Dr. Rausch erläutert nun einige Fakten zu den Einschulungsuntersuchungen 2011. Insgesamt wurden 1.400 Kinder untersucht, darunter befanden sich 5,6% Wiederholer, 0,8% vorzeitige Einschüler (Antragstellung durch die Eltern) und 93,6% rechtzeitige Einschüler. Bei den Untersuchungen wurden Befunde wie Sprach- und Sprechstörungen, Bewegungsstörungen, Neurodermitis, Sehfehler, Emotionale/soziale Störungen, Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung, Untergewicht und Hörstörungen aber auch Asthma bronchiale und Adipositas im Zusammenhang mit dem Sozialstatus der Eltern festgestellt.

An erster Stelle aller Befunde stehen Störungen in der Sprache, wobei auch hier zu beobachten ist, je niedriger der Sozialstatus ist desto größer sind die Sprachprobleme. Es besteht der Verdacht, dass diese Kinder zu Hause viel vor dem Fernseher sitzen und die zwischenmenschliche Kommunikation vernachlässigt wird. Somit können die Kinder kein „richtiges“ Deutsch lernen. Des Weiteren ist Herr Dr. Rausch der Meinung, dass das Lernen in den Kitas nicht ausreichend ist, da dort ein elementares Deutsch (einfache Wörter) vermittelt wird, weil hauptsächlich die Kinder miteinander reden. Aus seiner Sicht müssten die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen die Kinder nicht nur beaufsichtigen und betreuen sondern mehr mit ihnen reden und vorlesen (vor allem Märchen).

Zum Zeitpunkt der Einschulungsuntersuchungen erhielten im LOS bereits 27,4% der Kinder eine Förderung, wovon 62,6% der Eltern einen niedrigen Sozialstatus aufweisen. Auf Grund der schulärztlichen Empfehlungen wurden 7,2% der Kinder zurückgestellt und bei 15,4% wurden Befunde festgestellt, die noch nicht behandelt wurden (Empfehlung an den Hausarzt).

Bei den Einschulungsuntersuchungen werden auch Unfälle erfasst, die statistisch gesehen meist im Haushalt vorkommen. Sehr positiv erwähnt der Referent, dass 94% der Einschüler an den Vorsorge-Untersuchungen (auch Impfungen) teilgenommen haben. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch im Landesdurchschnitt wieder.

Abschließend bezieht sich Herr Dr. Rausch auf das anfangs erwähnte Beispiel aus seiner Praxis und erläutert anhand einer Studie der Bertelsmann Stiftung im Jahre 2008, den prozentualen Anteil der Jugendlichen in Deutschland, in Berlin und Brandenburg und in den allen Landkreisen, die keinen Hauptschulabschluss haben, der die Mindestqualifikation für den Beginn einer Berufsausbildung bedeutet.

Herr Dr. Rausch ist der Meinung, dass die Eltern ein Tabu darstellen und mehr in die Verantwortung genommen werden sollten. Daraufhin erklärt Herr Politz, dass schon mehrere Generationen von Sozialarbeitern aktiv sind und versuchen die Eltern zu erreichen. Schon seit Jahren ist aus den Kitas und den Grundschulen bekannt, dass bei den Kindern erhebliche Mängel und Schwierigkeiten im Spracherwerb bestehen.

Maßnahmen auf Landesebene, wie Sprachuntersuchungen ein Jahr vor der Schuleinführung haben nicht zur Problemlösung beigetragen. Besser angelegt ist die altersintegrierte Sprachförderung (modellhaft), der sich auch die Stadt Fürstenwalde angeschlossen hat. Problem dabei sind nicht die entsprechenden Qualifizierungsmöglichkeiten sondern das fehlende Personal. Herr Politz weist auf den bestehenden Personalschlüssel in den Kitas hin. Mit dem vorhandenen Personal kann somit das Defizit im Elternhaus nicht kompensiert werden. Er betont ausdrücklich, dass die Sprachförderung und die Elternarbeit in den Kitas eine der Hauptsäulen der Arbeit darstellen und versichert, dass die bestehenden Probleme durchaus gesehen werden.

 

Herr Dr. Rausch ist sich durchaus bewusst, dass die Personaldecke in den Einrichtungen sehr dünn ist aber weist darauf hin, dass mehr Elternarbeit erforderlich ist und führt beispielhaft Gruppenarbeit mit den Eltern an.

Herr Politz versichert, dass die Arbeit mit den Eltern erfolgt, bittet jedoch zu bedenken, dass dies Angebote für die Eltern sind und ein Zwang zur Annahme nicht möglich ist. Aus diesem Grund ist nur eine geringe Resonanz auf die Angebote der Kitas zu verzeichnen. Auf die Frage vom Referenten wie man diese steigern könnte erklärt der Fachgruppenleiter, dass dies bereits Gegenstand jahrelanger Zusammenarbeit der Kitas mit dem Jugendamt und Gesundheitsamt ist, aber die Erziehungshoheit liegt grundgesetzlich verankert bei den Eltern!

 

Abschließend informiert Herr Dr. Rausch, dass bundesweit und im LOS die Sprachleistungen kontinuierlich schlechter werden und vermehrt Sprachauffälligkeiten zu beobachten sind.

 

Herr Lachmann äußert sich sehr beeindruckt über die vorliegenden Zahlen und ist der Meinung, dass doch offensichtlich nicht genug getan wird. Daraufhin erklärt Herr Politz, dass auch er sehr betroffen ist und meint, dass jedoch daraufhin auch vom Referenten nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen wurden. Er weist weiterhin auf die letzte Reform des Betreuungsschlüssels in Kitas hin, die lediglich eine Rückstufung des Personalschlüssels korrigiert hat und noch lange keinen Fortschritt darstellt oder ausreichend wäre.

 

Bezüglich der Schulabschlüsse fügt Herr Lüder an, dass dieses Thema nicht gut geregelt ist und verweist auf einen Artikel in der MOZ vom 29.08.2012.

 

Aus Sicht von Frau Fiedler sind die vorhandenen Probleme so vielfältig. Dies ist nicht nur dem Elternhaus geschuldet, es kommt auf die soziale Stellung (Sozialstatus) der Familien an, da diese das Bildungsniveau beeinflusst.

 

Herr Sachse fasst zusammen, dass sozial benachteiligte Eltern nicht genug die Sprache ihrer Kinder fördern und für Angebote nur schwer erreichbar sind. Er ist der Meinung, dass dieses Defizit in den Kitas ausgeglichen werden muss.

 

Die Präsentation wird als Anlage 2 beigefügt.