Beschlussvorschlag:

(Die Stadtverordnetenversammlung beschließt eine Vermarktung von kommunalen unbebauten, aber bebaubaren Grundstücken gemäß

Variante 1:         Vermarktung durch Verkauf zum Höchstpreisgebot, wobei der aktuelle BRW das Mindestgebot darstellt

Variante 2:         Vermarktung durch Verkauf zum Festwert

Variante 3:         Vermarktung über Erbbaurechtsverträge mit einer Laufzeit (bis) 99 Jahre und einem Erbbauzins iHv 4 bis 4,5% des aktuellen BRW

 

Zusätzlich sind für die Vergabe nach den Varianten 2 und 3 folgende Kriterien aufzunehmen: …..

 

 

Sachverhalt:

(Die Stadt Fürstenwalde/Spree will unter anderem 7 unbebaute Grundstücke im Baugebiet Ketschendorfer Feldmark II und einzelne Baugrundstücke im Stadtgebiet anbieten. Bisher wurden die Baugrundstücke in der Ketschendorfer Feldmark zum Höchstgebot veräußert (6/DS/357, 6/DS/357/1 und 6/DS/876). Durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung soll bestimmt werden, ob auch weiterhin so verfahren werden soll oder ob die Vermarktung künftig in einem anderen Verfahren erfolgen soll.

 

Gemäß § 79 Absatz 2 der Kommunalverfassung (BbgKVerf) sollen Vermögensgegenstände (und dazu zählen Baugrundstücke) nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Unter dem „vollen Wert“ versteht man den sich bei Veräußerung des einzelnen Gegenstandes unter Ausschöpfung aller am Markt erzielbaren Möglichkeiten realisierbaren Wert (Verkehrswert bzw. der gegenwärtig am Markt realisierbare Preis). Weitere Einzelheiten werden in der Genehmigungsfreistellungsverordnung (GenehmFV) vom 04.10.2019 geregelt. So ist nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 ein Grundstücksgeschäft genehmigungsfrei, wenn zum Höchstgebot aus einer bedingungsfreien öffentlichen Ausschreibung verkauft wird. Bei der Ausschreibung darf keine Zweckbindung (mit Ausnahme der baurechtlichen) angegeben werden. Bei einer Ausschreibung mit Bauverpflichtung ist die Veräußerung nur dann genehmigungsfrei, wenn zu einem Preis verkauft wird, der einem Wert gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 (Vorliegen eines Verkehrswertgutachtens) oder Nr. 3 (bei unbebauten Grundstücken zum geeigneten Bodenrichtwert) entspricht.

Der aktuelle Bodenrichtwert der zu veräußernden Wohnbaugrundstücke in Fürstenwalde beträgt je nach Lage 260,00 €/m² bis 300,00 €/m². Er hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt bzw. verdreifacht.

 

Der aktuelle Bodenrichtwert gilt aber nur für erschließungsbeitragsfreie Grundstücke und beinhaltet alle Erschließungsbeiträge, welche vormals noch als separate Ablösebeiträge den Erwerberinnen und Erwerbern in Rechnung gestellt wurden.

 

Auf der Grundlage der genannten rechtlichen Rahmenbedingungen kommen für die Vermarktung der Wohnbaugrundstücke unterschiedliche Verfahren in Betracht:

 

Variante 1:         Vermarktung durch Verkauf zum Höchstpreisgebot, wobei der aktuelle BRW das Mindestgebot darstellt

Variante 2:         Vermarktung durch Verkauf zum Festwert unter Einbeziehung/Berücksichtigung weiterer festzulegender Faktoren

Variante 3:         Vermarktung über Erbbaurechtsverträge mit einer Laufzeit (bis) 99 Jahre und einem Erbbauzins iHv 4 bis 4,5% des aktuellen BRW

 

Zur Darstellung der Vor- und Nachteile der drei Varianten wurde als Beispiel ein mittelgroßes Baugrundstück aus dem Baugebiet Ketschendorfer Feldmark II (KFM II) ausgewählt:

 

Emma-Reich-Straße 16 mit einer Größe von 701 m²

 

BRW 2023

Gesamtpreis

Verkauf zum

Erbbauzins/ Jahr

Erbbauzins/Monat

Amortisations-

 

 

BRW 2023

Höchstgebot

(bei 4,2 %)

 (bei 4,2%)

zeit

 

 

 

 

 

 

300 €/m²

210.300 €

210.300 € + …

8.832,60 €

736,05 €

286 Monate

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erläuterung der Kriterien zur Findung des Vermarktungspreises

 

Variante 1: Vergabe zum Höchstpreis

 

Die Variante der Vergabe zum Höchstpreis wurde in Form eines Bieterverfahrens schon bei der bisherigen Vermarktung der Baugrundstücke in der Ketschendorfer Feldmark gewählt. Im letzten Verfahren 2020 betrug das Mindestgebot 100 €/m² zuzüglich der Kosten für die Erschließung des jeweiligen Grundstücks (Ablösebetrag). Dies hatte zur Folge, dass sich im Abschluss des Vergabeverfahrens ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis in der KFM II von fast 150 € ergab (zzgl. Ablösebetrag).

Gemäß aktuellem Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses der Stadt Frankfurt (O.) und des LOS (siehe Auszug im Anhang) beträgt der BRW nach einem Weiterverkauf eines Grundstücks in der KFM II seit 01.01.2023 300,00 €/m² (beitragserschließungsfrei). Inwieweit dieser eine Weiterverkauf tatsächlich wertbildend für alle unbebauten Baugrundstücke in 2023 in der KFM II sein soll, ist fraglich und sollte gegebenenfalls rechtlich geprüft werden. Aber auch in den anderen Einfamilienhausgebieten liegt der Bodenrichtwert inzwischen über 200 €/m².

 

Sollten bei einer Vermarktung nach Variante 1 oder 2 mehrere Bewerberinnen und Bewerber gleiche Kriterien in gleicher Qualität erfüllen bzw. gleiche Höchstgebote abgeben, muss eine zusätzliche Entscheidungsmöglichkeit gefunden werden, z.B. Losverfahren.

 

Variante 2: Festwert und weitere Faktoren

 

Kriterien für eine Sozialauswahl könnten z.B. sein: Anzahl der Kinder, Vermögens-/ Einkommensgrenzen, pflegebedürftige Angehörige.

Ehrenamtliches Engagement könnte auch gewertet werden, gehört aber – entgegen landläufiger Meinung – zum Kriterium des Ortsbezuges. Ein solches „Einheimischenmodell“ als Vergabeverfahren ist rechtlich zulässig, um z.B. ortsansässiger Bevölkerung einen Vorteil zu verschaffen, aber nicht unumstritten. So ist die rechtliche Durchsetzbarkeit eher fraglich, da es hohe „Hürden“ gibt, weil bei der Vergabe z.B. nicht gegen Vorgaben des Europarechts verstoßen werden darf. Grundfreiheiten der EU-Bürger müssen gewahrt werden. Insoweit hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen, aufzuhalten und Wohnsitz zu nehmen. Hierunter fällt auch das Recht, Liegenschaften zu erwerben. Auch bindet sich die Stadt in diesem Fall bei künftigen Entscheidungen an die festgelegte Vergabepraxis. Abweichungen hiervon wären anfechtbar.

Bei der Bewertung der Faktoren könnte ein Punktesystem nach unterschiedlicher Gewichtung einzelner Faktoren angewandt werden. Die auszuwählenden Kriterien werden von der Stadtverordnetenversammlung näher bestimmt.

 

Variante 3: Vergabe der Baugrundstücke über Erbbaurechtsverträge

 

Gemäß Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses wurde für in 2020/21 erstmals begründete Erbbaurechte für unbebaute Wohngrundstücke ein Erbbauzinssatz in Höhe von 4 bis 4,5 % des damals aktuellen BRW-Bauland festgelegt. Der Mittelwert lag bei 4,2% bei einer Vertragslaufzeit von 99 Jahren. Bei diesem Zinssatz wird eine Amortisation des Kaufpreises nach 23,8 Jahren erzielt, wobei hier eventuell vertraglich zu vereinbarende Anpassungsklauseln (z.B. an den Lebenshaltungsindex) nicht berücksichtigt wurden. In den vom Gutachterausschuss registrierten Verträgen sind diese Klauseln vorgesehen. Gleiches gilt für bisher abgeschlossene Erbbauverträge der Stadt.

 

Der Abschluss von Erbbauverträgen hat Vor- und Nachteile, welche vorab abgewogen werden sollten.

Vorteile für Erwerberinnen und Erwerber: Durch die monatlichen/jährlichen Zinszahlungen muss nur für die eigentlichen Baukosten ein Kredit aufgenommen werden, was bei den derzeit steigenden Bau- und Finanzierungskosten ein wichtiges Entscheidungskriterium sein kann.

Nachteile für Erwerberinnen und Erwerber: Sie werden nicht Grundstückseigentümer, aber rechtlich wie ein solcher behandelt. Das kann zu Problemen bei Baufinanzierungen mit wenig Eigenkapital führen.

Vorteile für die Stadt: Die Stadt bleibt Eigentümerin des Grundstücks und generiert nach der Amortisation des Verkaufspreises weitere Erträge bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Die Erträge sind regelmäßig und planbar.

Nachteile für die Stadt: Es gibt keine investiven Einzahlungen und über die lange Vertragslaufzeit besteht ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand (Kontierungen/evtl. Mahnlauf). Außerdem muss der Heimfall während der Vertragslaufzeit oder nach deren Ablauf berücksichtigt werden (mögl. Entschädigung für Restwert von Baulichkeiten auf dem Grundstück).

Dem Heimfall könnte entgegengewirkt werden, indem Erbbauberechtigten ein vertragliches Ankaufsrecht des Grundstücks eingeräumt wird (§ 2 Nr. 7 ErbbauRG). Dieses kann auch zeitlich befristet vereinbart werden (z.B. bis wann bzw. ab wann ein Ankauf erfolgen kann).

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Aspekte

 

Um Spekulationsgeschäfte möglichst auszuschließen, könnte der Rahmen der Antragsberechtigten eingegrenzt werden, z.B. nur Privatpersonen ohne Wohneigentum. Diese Personengruppe ist genauer zu definieren.

Auch sollte in den zukünftigen Grundstücksverkaufsverträgen neben einer auf 48 Monate befristeten Bauverpflichtung ein Weiterveräußerungsverbot für mindestens diese Zeit vereinbart werden. Die Zweckbindung zum Wohnen ist zumindest in der KFM durch die Bebauungspläne Nr. 91 und Nr. 104 festgesetzt. Inwieweit auch für andere Baugrundstücke diese Zweckbindung gelten soll, müsste festgelegt werden, so dies nicht schon anderweitig geregelt ist.

Anstatt eines Veräußerungsverbotes während der Bauverpflichtung wäre auch die vertragsinhaltliche Verpflichtung zum befristeten Selbstbezug und Selbstnutzung der errichteten Immobilien durch den/die Grundstückserwerber und -erwerberinnen denkbar. Um Zuwiderhandlungen vorzubeugen, ist im Grundbuch eine Rückerwerbsvormerkung für die Stadt einzutragen.

Um Grundstücksspekulationen vorzubeugen, sollte außerdem die Auskehr von Veräußerungsgewinnen durch eine befristete Mehrerlösklausel vertraglich vereinbart werden. Dies ist vermutlich aber nur für den Zeitraum bis zum Ablauf der Bauverpflichtung sinnvoll, da nach Baufertigstellung eine getrennte Darstellung des Grundstücks- und des Immobilienpreises ohne Gutachten nicht möglich scheint.

Zu prüfen wäre gegebenenfalls, ob „auswärtigen“ Grundstückserwerberinnen und –erwerbern nicht auferlegt werden kann, sich melderechtlich mit Hauptwohnsitz an der Adresse des erworbenen Grundstücks in Fürstenwalde/Spree anzumelden.

In Vertretung

Norbert Hein

Erster Beigeordneter

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Finanzen:

Bei einem Verkauf der Grundstücke erzielt die Stadt einmalig Einzahlungen für investive Maßnahmen.

Beim Abschluss von Erbbaurechtsverträgen erzielt die Stadt über die Laufzeit der Verträge jährliche Erträge im Ergebnishaushalt. Für den Heimfall sind mögliche Auszahlungen zu planen.

 

Auswirkungen auf das Klimaschutzkonzept:

 

Keine

 

 

Anlagen:

Bodenrichtwerte (Auszug), Stand 01.01.2023